Josquin - Werke - Messen - La sol fa re mi - Ascanio und Serafino

Ascanio Maria Sforza war seinerzeit ein Kardinal mit höchstem politischen Einfluss in Rom. Er wurde 1455 in Mailand geboren, als das Herzogtum Mailand gerade seit 5 Jahren in den Händen der mächtigen Sforza-Familie war. Noch heute erinnert das gewaltige Castello Sforzesco in Mailand an den einstigen Ruhm der Sforzas.
Ascanio war der fünfte von sechs Söhnen des Francesco Sforza. Da also die Thronfolge schon ausreichend gesichert war, wurde Ascanio zur geistlichen Laufbahn bestimmt. Er wurde nach Rom geschickt, wo er bereits mit 29 Jahren zum Kardinal ernannt wurde, und wo ihm der Aufstieg bis in die allerhöchsten kirchenpolitischen Kreise gelang. Im Vatikan sollte er die politischen Interessen des Mailänder Hofes vertreten.
Ascanio muss ein mächtiger Mann von grossartiger Ausstrahlung gewesen sein. Er war umfassend humanistisch gebildet und damit ein hochmoderner Mensch, der die Kunst und die Musik besonders schätzte. Josquin befand sich viele Jahre im Gefolge Ascanios und schrieb unter anderem, wie sich noch zeigen wird, die Missa La sol fa re mi nachweislich unter dessen Einfluß (was für ein Einfluß das auch immer gewesen sein mag, siehe die Anekdote)

Serafino de Ciminelli dall' Aquila, so lautet der komplette Name, war schon zu Lebzeiten ein beliebter Dichter, der seine Verse auch stets selber in Musik setzte und vortrug. Von ihm ist ein Gedicht überliefert, welches direkt an Josquin adressiert ist: Ad Jusquino suo compagno d'Ascanio. Dieser Titel sagt, dass Serafino zusammen mit Josquin im Dienste Ascanios stand. Lowinsky hat errechnet, dass das zwischen 1484 und 1490 gewesen sein muß. Serafinos Gedichte schildern ungeschminkt die dekadenten unmoralischen Verhältnisse, wie sie damals am päpstlichen Hofe unter dem Skandalpapst Alexander VI (Rodrigo Borgia) und sicher auch am Hofe Ascanios geherrscht haben müssen. Das erwähnte Gedicht (Ad Jusquino...) schildert Josquin als einen universalen Geist, der deprimiert ist beim Anblick dieser unmoralischen Zustände, und dem Serafino als Freund durch seinen Zuspruch Trost spenden will. In diesem Zusammenhang stehen auch die beiden Stücke In te Domine speravi und El grillo. Beide Texte von Serafino schildern in verschlüsselter Sprache Ascanio und werfen ihm vor, ausstehende Lohnzahlungen nicht zu leisten.

 

© 2001 by Guido Heidloff